Hanna Hennig, Chief Information Officer bei Siemens, prägt seit 2020 die strategische Ausrichtung von Siemens hin zu einer datengetriebenen und KI-gestützten Organisation. Sie ist Speakerin auf der TRANSFORM 2025 und wird dort Einblicke in die Digitale Transformation des Konzerns geben.
Im Interview mit TRANSFORM gewährt sie Einblicke in die strategische Entwicklung eines der weltweit führenden Technologiekonzerne. Dabei spricht sie über die Transformation von „hardware-driven“ zu „software-led“, die Rolle von Künstlicher Intelligenz und digitalen Zwillingen sowie die Bedeutung von Cybersicherheit für die Zukunft.
Hanna Hennig (H): Wir entwickeln Technologie, die die Welt braucht – für Industrie, Infrastruktur, Mobilität und das Gesundheitswesen. Diese Branchen bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft – und für sie alle bietet die Digitalisierung enorme Chancen, wettbewerbsfähiger, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu werden. Siemens verbindet die reale mit der digitalen Welt und hilft so Kunden, ihre Transformation bei Digitalisierung und zu mehr Nachhaltigkeit zu beschleunigen. Gemeinsam verbessern wir den Alltag, für alle.
Dafür verändern wir uns von einer Organisation, die „hardware-driven“ ist zu einer, die „software-led“ ist. Wir treiben die „Saasification“ unserer Software und die „Smartification“ unserer Hardware voran. Und wir transformieren unser Produktportfolio: Mit dem Siemens Xcelerator machen wir Digitale Transformation einfach, auch für kleinere und mittlere Unternehmen. Kunden profitieren von einer schnelleren und einfacheren Integration der Xcelerator-Angebote und ihrer Skalierbarkeit, was zu höherer Effizienz, Ausfallsicherheit und Nachhaltigkeit führt. Partner profitieren von einer globalen Präsenz, Co-Creation und Marketingmöglichkeiten. Mit unseren fünf Designprinzipien – Offenheit, „as a Serivce“ (aaS), Interoperabilität, Flexibilität, Cybersicherheit – setzen wir Industriestandards in der digitalen Transformation.
In wichtigen Technologie- und Innovationsfeldern wie Künstlicher Intelligenz oder Additive Manufacturing bewegen wir uns immer auf dem neuesten Stand der Entwicklung. Weitere strategische Entwicklungsthemen sind beispielsweise Connectivity und Edge Computing, Simulation und Digitale Zwillinge. Im Fokus steht dabei immer, wie wir Menschen bestärken und befähigen können, bessere und schnellere Entscheidungen zu fällen.
H: Bei Siemens setzen wir die ganze Bandbreite digitaler Technologien ein für Effizienz und Innovationskraft. Seien es Edge und Cloud Computing, Software Defined Automation, Digitale Zwillinge, Blockchain oder KI.
Beim Thema KI ist Siemens als Anbieter Industrieller KI einer der frühen Pioniere. Seit den Siebzigerjahren arbeitet unsere zentrale Forschung und Entwicklung zu und mit KI, wir beschäftigen rund 1500 KI-Experten weltweit und sind in Europa führend bei KI-Patenten. Unsere Kunden profitieren also schon lange von innovativen Produkten, in denen KI steckt – und auch wir selbst. Die Besonderheit ist, dass KI-Produkte von Siemens immer „industrial grade“ sind, also verlässlich, sicher und vertrauenswürdig für die Anwendung in Industrie, Infrastruktur, Transport oder Gesundheitswesen.
Aktuell arbeiten wir daran, KI in alle unsere Angebote zu integrieren, mit einer durchgängigen Datenstrategie. Außerdem werden wir mit KI und Datenanalysen die Effizienz in allen Teilen des Unternehmens weiter steigern und unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Ein Beispiel dafür, wie wir KI skalieren, ist die jüngste Innovation aus unserer Partnerschaft mit NVIDIA: Eine Industrial AI-Suite, die auf einer neuen Version unserer Industrie PCs läuft – mit Grafikprozessoren (GPUs) von NVIDIA. Das beschleunigt die Ausführung von KI um das 25-fache. Damit machen wir komplexe KI- Anwendungen für die Automatisierung breit verfügbar und steigern die Effizienz.
Zudem haben digitale Technologien einen maßgeblichen Anteil daran, dass mehr als 90 Prozent des Siemens-Geschäfts zu positiven Nachhaltigkeitsergebnissen für unsere Kunden beitragen: bezüglich Dekarbonisierung und Energieeffizienz, bezüglich Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft und stets mit Fokus auf den Menschen und die gesellschaftliche Wirkung.
H: Digitale Zwillinge haben die Art und Weise, wie wir bei Siemens entwickeln, planen und betreiben, grundlegend verändert. Im Gegensatz zu traditionellen Modellen ermöglichen sie eine hochpräzise digitale Abbildung physischer Systeme. Eine Besonderheit der digitalen Zwillinge von Siemens ist, dass sie „physics-aware“ sind, also das komplexe Zusammenspiel physikalischer Gegebenheiten und deren Auswirkung mit abbilden, etwa Veränderung von Temperatur. Damit können wir nicht nur bestehende Prozesse optimieren, sondern auch völlig neue Ansätze für Design, Betrieb und Wartung entwickeln.
Ein konkreter Vorteil: Mit einem digitalen Zwilling lassen sich Maschinen, Fahrzeuge oder Anlagen virtuell unter realistischen Bedingungen testen, bevor auch nur ein physischer Prototyp entsteht. Das spart Zeit und Ressourcen und erlaubt es, in kürzester Zeit verschiedene Designs zu simulieren und deren Auswirkungen zu bewerten.
Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Eine davon ist die Interoperabilität: Viele ältere Systeme wurden nicht dafür entwickelt, nahtlos mit modernen digitalen Plattformen zu kommunizieren. Hier setzen wir auf offene Schnittstellen und standardisierte Datenformate, um diese Barriere zu überwinden. Zudem erfordert die Implementierung digitaler Zwillinge eine enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Fachbereichen und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Kompetenzen unserer Mitarbeitenden.
H: Unser digitales Geschäft ist ein wichtiger strategischer Hebel für Wertschöpfung. Im Geschäftsjahr 2024 haben wir hier einen Sprung gemacht. Durch große Lizenzverträge für Software und die sehr erfolgreiche Umstellung auf Software-as-a-Service.
Mit dem Siemens Xcelerator Marketplace bieten wir einen digitalen Marktplatz, der die Online-Kundenerfahrung aus der B2C-Welt in die industrielle B2B-Welt bringt. Alle unsere Geschäftsbereiche arbeiten daran, das Portfolio von Siemens Xcelerator zu erweitern und zu fördern. Wir bieten dort ein umfassendes, kuratiertes Portfolio an, das digitale und IoT-fähige Angebote von Siemens und qualifizierten Partnern umfasst. Indem wir Siemens Xcelerator mit unserem Branchenwissen kombinieren, können Kunden die Xcelerator-Angebote schneller integrieren und skalieren, was zu höherer Effizienz, Ausfallsicherheit und Nachhaltigkeit führt.
Ein Ergebnis ist beispielsweise der Siemens Industrial Copilot, der durch unsere Partnerschaft mit Microsoft möglich wurde: Inzwischen nutzen mehr als 100 Unternehmen diesen Copiloten. Unser Partner thyssenkrupp Automation Engineering plant als erster die weltweite Einführung in allen seinen Maschinen.
Ein weiteres Beispiel: Mit Signaling X führen wir den Bahnverkehr in die digitale Zukunft. Künftig können Signalsysteme im Fern- und Nahverkehr nahtlos von einem zentralen Rechenzentrum aus gesteuert und betrieben werden. Im Zusammenspiel mit Zugplanungssystemen können Bahnunternehmen ihren Betrieb um bis zu 20 Prozent effizienter machen.
Oder Building X, eine Smart-Building-Suite, die ebenfalls offen, interoperabel und vollständig cloud-basiert ist. Building X geht auf die Herausforderungen der verschiedenen Interessengruppen im Gebäudelebenszyklus ein, darunter Gebäudenutzer, Immobilieninvestoren, Immobilienunternehmen und Facility-Manager, und fungiert als „Single Source of Truth“, die Komplexität beseitigt und Dekarbonisierungsziele unterstützt.
H: Unsere Produkte und Dienstleistungen erfüllen hohe Cybersicherheitsanforderungen und werden ständig auf potenzielle Schwachstellen überprüft, um der Entwicklung voraus zu sein und unsere Kunden sowie Vermögenswerte zu schützen, bevor ein Vorfall überhaupt wahrgenommen wird. Darüber hinaus entsprechen unsere Angebote Industriestandards wie ISO:27001 und IEC 62443. Wir integrieren das Prinzip „Security by Default“, also eine „Cybersicherheit ab Werk“, in den Designprozess unserer Produkte, um deren Zukunftssicherheit zu gewährleisten.
Dabei nutzen wir unsere umfangreiche Erfahrung aus dem Schutz unserer eigenen Fabriken und Betriebe, um dedizierte Cybersicherheitslösungen zu entwickeln und zu verkaufen. Dieser praxisnahe Ansatz unterscheidet uns von unseren Wettbewerbern, da Kunden von unserem praktischen Know-how profitieren und Zugang zu hochmodernen Lösungen erhalten, die sich in der realen Welt bewährt haben.
Unser Angebot an Cybersicherheitslösungen umfasst Produkte und Dienstleistungen, die sich auf Schutz, Erkennung, Abwehr und Wiederherstellung konzentrieren. Kunden erhalten zudem Unterstützung von unseren Cybersicherheitsexperten durch unser Cybersecurity Consulting, um ihre Cybersicherheit und Cyber-Resilienz zu verbessern.
Bereits im Jahr 2018 hat Siemens auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Charter of Trust gegründet. Die Charter of Trust ist eine gemeinnützige Allianz führender globaler Unternehmen und Organisationen aus verschiedenen Sektoren, die auf zehn Prinzipien basiert und gemeinsam daran arbeitet, die digitale Welt von morgen zu einem sichereren Ort zu machen. Heute haben ihre Partner sie in eine einzigartige Initiative führender globaler Unternehmen und Organisationen verwandelt, die zusammenarbeiten, um die digitale Welt von morgen sicherer zu gestalten.
H: Als Organisation arbeiten wir daran, noch konsequenter „Data- and AI driven“ zu sein: Wir „enablen“ unsere Produkte mit Daten und KI, und wir demokratisieren dadurch auch den Zugang zu den Technologien.
Auf seiner starken Position als führendes Technologieunternehmen aufbauend, hat Siemens im Herbst 2024 das Programm ONE Tech Company eingeführt, um die nächste Stufe bei Performance und Wertsteigerung zu erreichen. Dieses soll sicherstellen, dass Siemens die Chancen nutzt, die sich aus historischen Marktverschiebungen, die einen Wendepunkt markieren, und aus Technologie-Disruptionen ergeben. Ziele des Programms sind ein stärkerer Kundenfokus, schnellere Innovationen und ein stärkeres profitables Wachstum. Mit dem Programm ONE Tech Company wird Siemens die Umsetzung seiner bestehenden Strategie beschleunigen, die sich mit dem Kernsatz „die reale mit der digitalen Welt verbinden” zusammenfassen lässt.
Zu den Elementen des Programms gehören die geplante Akquisition von Altair Engineering, um die führende Position von Siemens bei industrieller Software zu stärken, und die Schaffung von Foundational Technologies als Einheit zur Skalierung von Basistechnologien im gesamten Unternehmen.
H: Wir ermöglichen allen Personengruppen in der Organisation frühzeitig sicheren Zugang zu neuen Technologien. Als beispielsweise vor zwei Jahren ChatGPT auf den Plan trat und den KI-Teilbereich Generative KI (GenAI) für alle zugänglich gemacht hat, haben wir unseren Mitarbeitenden sehr schnell – innerhalb von drei Monaten – einen sicheren Zugang zu dieser Technologie ermöglicht. Shop Floor Workers, Office Workers, Developer – sie alle haben bei Siemens Zugang zu GenAI-Tools; darunter lizensierte Produkte, aber auch Open-Source-Angebote.
Zu den Tools bieten wir umfassende Lernangebote an. Im Jahr 2023 haben 40.000 Kolleginnen und Kollegen KI-Trainings absolviert. Wichtig ist dabei: Lernen ist Teil unserer Unternehmenskultur, und wir motivieren unsere Führungskräfte, als Beispiel voranzugehen, um unseren Teams den kulturellen Wert des Lernens zu vermitteln und die Zeit für das Lernen zu ermöglichen.
Hanna Hennig wird auf der TRANSFORM 2025 ihre Erfahrungen teilen und aufzeigen, wie Siemens durch die Verbindung der realen und digitalen Welt nachhaltige, zukunftsweisende Lösungen schafft.
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